\documentclass[a4paper]{scrartcl} \usepackage{palatino} \usepackage{amsmath} \usepackage{graphicx} \usepackage{floatflt} \usepackage[ngerman]{babel} \usepackage[latin1]{inputenc} \areaset{17cm}{24cm} \parindent0pt \begin{document} \section*{\LARGE Medizinische Wirkstoffe} \rightline{Chemie GLF 12/2 2006} \rightline{Christian Neukirchen} \bigskip Laut dem deutschen Arzneimittelgesetz dienen Arzneimittel dazu, Krankheiten zu verhüten, Krankheiten zu erkennen, Krankheiten zu lindern und Krankheiten zu heilen. \section{Kurze Geschichte der Arzneimittel} Schon in Neandertalergräbern wurden Überreste von Heilpflanzen als Grabbeigaben entdeckt. Assyrer und Ägypter kannten bereits einige hundert Heilpflanzen und ihre Anwendung. In der Antike wurden viele Pflanzen, Mineralien und tierische Wirkstoffe von den Griechen und Römern untersucht. Dieses Wissen bildete die Grundlage der Medizin für Jahrhunderte. Im Mittelalter gab es vor allem Einflüsse aus dem Orient, aber auch hierzulande wurde neues entdeckt, zum Beispiel von Hildegard von Bingen. In der Neuzeit dann begaben sich die Forscher auf die Suche nach dem Panazee, der Universalmedizin, die alles heilt. Wahrscheinlich wichtigste Person der Neuzeit, aus Sicht der Geschichte der Arzneimittel war \textit{Paracelsus}, der Chemie als Arznei verwendete und so Wegbereiter der pharmazeutischen Chemie war. Er prägte den Ausspruch \textit{``Alle Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.''} Diese Regel gilt natürlich (oder gerade?) heute immer noch. Im 19. Jahrhundert wurden dann viele pflanzliche Inhaltsstoffe chemisch untersucht und erste synthetische Arzneistoffe hergestellt. Im 20. Jahrhundert gab es die ersten Antibiotika und allgemein Anwendungen der Biochemie, zum Beispiel für die künstliche Herstellung von Hormonen oder Enzymen. \section{Wirkweisen} Die Wirkweise eines medizinischen Wirkstoffes kann meist in vier Kategorien eingeordnet werden: \begin{itemize} \item Beeinflussung von Rezeptoren, Stimulation oder Blockade \item Beeinflussung von Enzymen, Hemmung oder Aktivierung \item Beeinflussung der Biosynthese, durch Antibiotika oder Chemotherapeutika \item Substitution von körpereigenen Stoffen, z.B. Insulin \end{itemize} Im Allgemeinen ist die räumliche Struktur des Moleküls wichtiger als dessen exakte chemische Zusammensetzung. \section{Pflanzliche Wirkstoffe} Pflanzliche Wirkstoffe sind die Wirkstoffe der \textit{Phytopharmaka} und zum Großteil immer noch unbekannt. Dies liegt daran, dass es in Pflanzen sehr viele verschiedene Stoffe gibt, diese oft nur zusammen wirken (\textit{Synergie}) und ihr Metabolismus im Körper unerforscht ist. Eine recht gut untersuchte Stoffgruppe stellt die der \textit{Alkaloide} dar, zu der bekannte Stoffe wie \textit{Atropin}, \textit{Chinin}, \textit{Cocain}, \textit{Coffein}, \textit{Morphin}, \textit{Nikotin} und \textit{Strychnin} gehören. Alkaloide sind chemisch ungenau definiert. Allen gemein ist, dass es organische, heterozyklisch stickstoffhaltige Moleküle sind, die oft basisch reagieren. Fast alle Alkaloide sind sehr giftig. \goodbreak \textbf{Baldrian} (\textit{Valeriana officinalis}) ist eine der ältesten Arzneipflanzen. Sie wird heute vor allem als Nervenentspannungsmittel verwendet, ist aber kein Schlafmittel. Die Wirkstoffe des Baldrian sind nicht genau bekannt, da Baldrian viele Inhaltsstoffe hat, keines allein aber die Wirkung trägt. Baldrian wirkt gegen Unruhe, Angst und Aggressivität; einzelne Inhaltsstoffe haben sogar krampfmildernde Wirkung. Baldrian enthält ätherische Öle (hauptsächlich Valeriansäure (Pentansäure, $C_4H_9COOH$), Valepotriate, Valerensäuren (ungesättigt), Alkaloide und sonstige Pflanzensäuren. \bigskip Andere interessante Arten pflanzlicher Wirkstoffe sind Saponine (Zucker und Steroide, die mit einem Sauerstoff verbunden sind), da sie bei Kontakt mit Wasser schäumen und daher als Hustenmittel verwendet werden, und Digitalisglykoside, die die Kontraktionskraft des Herzen stärken. \section{Synthetische Wirkstoffe} \begin{floatingfigure}[r]{3cm} \includegraphics[width=3cm]{acetylsalicylsaeure} % \caption{Acetylsalicylsäure} \end{floatingfigure} \textbf{Acetylsalicylsäure}, der Wirkstoff von \textit{Aspirin}, wurde 1897 von Arthur Eichengrün entdeckt, die Entdeckung wird jedoch oft Felix Hoffmann zugeschrieben. Acetylsalicylsäure wird industriell durch Veresterung von Salicylsäure und Essigsäureanhydrid hergestellt (vgl. Duden Chemie, S. 476). \begin{align*} \raisebox{-0.7cm}{\includegraphics[width=2.5cm]{salicylsaeure}} \kern0.25cm + \kern0.25cm \raisebox{-1.1cm}{\includegraphics[width=2cm]{essigsaeureanhydrid}} \kern0.25cm &\rightleftharpoons \kern0.25cm \raisebox{-0.7cm}{\includegraphics[width=3.5cm]{acetylsalicylsaeure}} \kern0.25cm + \kern0.25cm \raisebox{-0.8cm}{\includegraphics[width=2.3cm]{essigsaeure}}\\ \textrm{Salicylsäure} + \textrm{Essigsäureanhydrid} &\rightleftharpoons \textrm{Acetylsalicylsäure} + \textrm{Essigsäure} \end{align*} Acetylsalicylsäure wird erst im Magen zur unbekömmlichen Salicylsäure umgesetzt. Salicylsäure blockiert das Enzym \textit{Cyclooxygenase}, das bei der Bildung von \textit{Prostaglandinen} und \textit{Thromboxanen} wichtig ist. Prostaglandine sind Stoffe, die Schmerzsignale auslösen können; Thromboxane sind gerinnungsfördernd. Daher wirkt Acetylsalicylsäure schmerzstillend, fibersenkend, entzündungs\-hemmend und gerinnungshemmend. \begin{figure}[b] \centering \includegraphics[width=6cm]{ass} \caption{Räumliche Struktur von Salicylsäure in Cyclooxygenase} \end{figure} \end{document}