\setchapterpreamble[u]{% \dictum[anonymous]{The insects were heard to complain\\ That man had poisoned their rain\\ \qquad The cause of their sorrow\\ \qquad Was para-dichloro-\\ diphenyl-trichloroethane}} \chapter{DDT: Dichlordiphenyltrichlorethan \christian} \label{ch:ddt} \bigskip DDT war wohl das bekannteste und meist verbreitete Pestizid in der Geschichte der Menschheit. Damals wusste man jedoch noch nicht um die Gefahren, und bald stellte sich starke Ernüchterung ein. Doch nun, alles der Reihe nach. \section{Geschichte} \begin{figure} \centering \includegraphics[width=5cm]{formeln/ddt} \caption{Strukturformel von DDT} \end{figure} \quelle{http://en.wikipedia.org/wiki/DDT\#History} \quelle{http://de.wikipedia.org/wiki/Paul\_Hermann\_Müller} DDT wurde erstmals 1874 von Othmar Zeidler synthesiert, der jedoch noch nicht um die Eigenschaften des Stoffes wusste. Erst 1939 wurde es von Paul Müller der Ciba Geigy AG wiederentdeckt und seitdem als Pestizid verwendet. Es wurde in der Schweiz (1940), England (1942) und den USA (1943) patentiert. \quelle{http://www.junkscience.com/ddtfaq.htm} 1943 fand die erste DDT Großproduktion statt, als Merck für Italien über 1800 Liter DDT produzierte um eine durch Läuse übertragene Typhus-Epedimie zu verhindern. Im gleichen Jahr verteilte die US-Armee kleine Dosen mit DDT-Staub an die Soldaten, um Kopf- und sonstige Läuse zu töten. Im Jahre 1948 bekam er ``für die Entdeckung der starken Wirkung von DDT als Kontaktgift gegen mehrere \G{Arthropoden} (Gliederfüßer)'' den Nobelpreis für Medizin, obwohl er gar kein Mediziner war. Höhepunkt der DDT-Produktion war das Jahr 1962, in dem 82 Millionen Kilogramm DDT produziert und 80 Millionen Kilogramm verwendet wurden. \quelle[2006-06-05]{http://en.wikipedia.org/wiki/Rachel\_Carson} Nach Veröffentlichung des Buches \emph{Silent Spring}, das die amerikanische Biologin Rachel Carson schrieb, begann ein Kreuzzug gegen die Verwendung von DDT. Schnell spitzte sich der Konflikt zwischen DDT-Gegnern und -Befürwortern zu, und laufend wurden die gleichen Argumente gebetsmühlenartig hervorgebracht, ohne auf den Stand der Wissenschaft zu achten. Rachel Carson vertrat in ihrem Buch die sicherlich sinnvolle Einstellung ``So viel wie nötig, so wenig wie möglich'', genauer gesagt, ``Die Empfehlung sollte sein, so wenig wie möglich zu sprühen statt so viel zu sprühen, bis nichts mehr geht''. Die DDT-Gegner sahen das strikter und forderten das totale Verbot von DDT. Auch heute noch ist es sehr schwer, die Sache neutral zu betrachten; man kann eigentlich nur die Argumente der beiden Parteien gegenüberstellen. \quellec[69]{http://www.junkscience.com/ddtfaq.htm} Oft wird berichtet, DDT würde die Eierschalen von Wildvögeln dünner machen und so deren Bestand gefährden. Dies konnte jedoch selbst in Laborversuchen, in denen den Tieren die hundertfache Konzentration verabreicht wurde, nicht nachgewiesen werden oder bräuchte Dosen, die in der Natur nie auftreten würden. Selbst dann war die Schalenverdünnung geringer als sie in der Natur gefunden wurde. Einige Eischalen, beispielsweise die von Rotschwanz-Falken oder Goldadlern waren nach den Jahren der DDT-Anwendung sogar dicker geworden. Wissenschaftlich nachgewiesen ist jedoch, dass Öl, Blei, Quecksilber und Stress sowie Mag\-nesium- und Phosphormangel sich negativ auf die Schalendicke auswirken. Auch für andere Pestizide, wie zum Beispiel Dieldrin (siehe Seite \pageref{sec:dieldrin}) konnte diese Eigenschaft nachgewiesen werden, nicht aber für DDT. Es wird gerne spekuliert, dass die USA DDT nur verboten habe, weil ihr Wappentier, der Weißkopf-Seeadler, vom Aussterben bedroht war. Dies war sicherlich nicht der einzige Grund, allerdings auch kein triftiger. Bereits 1921 bis 1925 waren Weißkopf-Adler vom Aussterben bedroht, und nach 15 Jahren exzessiver DDT-Anwendung wurden 1960 25\% mehr Adler als 1941 vor DDT gezählt. Es wurde auch kein relevanter Zusammenhang zwischen DDT-Resten und Schalendicke gefunden. Der Rückgang der Adler wurde daher damit begründet, dass diese weniger Lebensraum hatten und teils illegal geschossen wurden, die mangelnde Fortpflanzung konnte auf Quecksilber zurückgeführt werden. 1984 befand die \emph{National Wildlife Foundation} Strommasten, Flugkollisionen und blei-belastete Enten als hauptsächliche Todesursachen der Weißkopf-Adler. Weiterhin konnte nicht bewiesen werden, dass DDT für den Menschen krebserregend ist. In einigen Tierversuchen führte DDT sogar zum Rückgang bestehender Tumore. Viele Argumente der DDT-Gegner können also wissenschaftlich leicht entkraftet werden; dies stellt jedoch keinen Blankoscheck für DDT dar. Schließlich \emph{ist} in allen untersuchten Vögeln DDT, wenn auch nur in geringen Mengen, gefunden worden. Ein Stoff, den es vorher in der Natur \emph{nie} gab, ist nun weltweit auf jedem Fleck der Erde nachzuweisen. Spätestens das sollte auch den DDT-Befürwortern zu denken geben; die Carson'sche Maxime ist sicherlich ein guter Maßstab für die Anwendung von DDT. \quelle[2006-06-05]{http://de.wikipedia.org/wiki/Dichlordiphenyltrichlorethan} Durch Propaganda und Einwirken namhafter Politiker erreichten die DDT-Gegner jedoch ihr Ziel. 1970 wurde DDT in Norwegen und Schweden verboten, 1972 in den USA und in Deutschland, in Großbritannien erst 1984. In der DDR wurde DDT noch 1988 hergestellt und auch angewendet, hauptsächlich in der Forstwirtschaft gegen Borkenkäfer. Durch die Stockholmer Konvention (siehe \pageref{sec:sk}) wurde DDT in 98 Ländern verboten, gesundheitliche Maßnahmen wie Malaria- und Typhus-Bekämpfung ausgeschlossen. \section{Probleme} \quellec[71]{http://de.wikipedia.org/wiki/Dichlordiphenyltrichlorethan} DDT kennzeichnet sich, wie alle POPs, durch eine langsame Abbaubarkeit aus, die Halbwertszeit in der Natur beträgt etwa 10 bis 20 Jahre, im menschlichen Körper ist es über 1 Jahr. Da es fettlöslich ist, reichert es sich in der Nahrungskette an und findet daher die höchste Konzentration am Ende der Nahrungskette, also auch beim Menschen. DDT wird schnell aufgenommen, aber nur langsam abgegeben. \quellec[69]{http://www.junkscience.com/ddtfaq.htm} Wie bereits erwähnt, ist DDT als solches für den Menschen und Säugetiere im Allgemeinen weniger giftig, die lethale Dosis LD$_{50}$ liegt bei 0,1 bis 0,5 Gramm DDT pro Kilogramm Körpergewicht. Ein normaler Mensch müsste also gut 20 Gramm zu sich nehmen, um direkt und sofort daran zu sterben. Fälle, in denen Personen versehentlich 285 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht eingenommen haben, führten zu sofortigem Erbrechen, aber keinem Todeseintritt. Toxikologisch ist daher nur die Langzeitwirkung des DDT interessant. Keiner der 35 Arbeiter, die 9 bis 19 Jahre lang dem 600-fachen der normalen DDT-Konzentration ausgesetzt waren, hat dadurch Krebs bekommen. Trotzdem ist zu befürchten, dass DDT den Hormonhaushalt beeinflusst, so die Spermienqualität senkt und sogar zu einer Verweiblichung von Embryonen führen kann. Es ist bekannt, dass ein DDT-Isomer, das bei der Produktion entsteht und so ins Endprodukt gelangen kann, östrogene Wirkung hat. \quelle[2006-06-09]{http://de.wikipedia.org/wiki/Malaria} Obwohl man durch alternative Pestizide inwischen vollständig auf DDT in der Landwirtschaft verzichten kann, ist es immer noch das wirkungsvollste, einfachste und billigste Mittel gegen die Malaria. Kein anderes Pestizid wirkt so gut gegen die Stechmücke \emph{Anopheles}, die Malaria überträgt. Leider gibt es inzwischen jedoch auch DDT-resistente Stechmücken; es gelang nicht, wie in den 50ern und 60ern erhofft, die Malaria entgültig auszurotten. \quelle[2006-06-09]{http://de.wikipedia.org/wiki/Malaria\#Vorbeugung\_und\_Behandlung} Am Beispiel Sri Lankas ist dies einfach nachzuvollziehen: 1948 gab es dort 2,8 Millionen Malariaerkrankte, 1963 nur noch 17 Fälle. 1964 waren es jedoch bereits 150 Fälle, und 1969, nur sechs Jahre später, waren es schon wieder 2,5 Millionen. DDT wird heutzutage vor allem in den Häusern und besonders deren Wänden verwendet, da sich dort die Mücken gerne niederlassen. \begin{figure}[hb] \centering \includegraphics[width=0.7\textwidth]{bilder/mosquito} \caption{Ein Moskito setzt zum Stich an\newline{} http://www.aaenvironment.com/DDT.htm} \end{figure} \section{Wirkung} \quelle{http://www.arguk.de/infos/ddtinfo.htm} DDT wirkt auf das zentrale Nervensystem, reduziert die Abwehrkraft des Immunsystems, schädigt den Fötus, ist im Verdacht Zellveränderungen vorzurufen und belastet die Leber bei Säugetieren. \quelle[2006-06-05]{http://en.wikipedia.org/wiki/DDT} Gegen Insekten wirkt DDT, da es die Natriumkanäle der Neuronen öffnet und so zu zufälligen Verkrampfungen bis zum Tode führt. Insekten, deren Natriumkanäle durch bestimmte Mutationen verändert sind, können gegen DDT resistent sein. %%% Local Variables: %%% mode: latex %%% TeX-master: "doku" %%% End: