Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was s ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Nacht in London

Die Hände
vor das Gesicht halten
und die Augen
nicht mehr aufmachen
nur eine Landschaft sehen
Berge und Bach
und auf der Wiese zwei Tiere
braun am hellgrünen Hang
hinauf zum dunkleren Wald

Und das gemähte Gras
zu riechen beginnen
und oben über den Fichten
in langsamen Kreisen ein Vogel
klein und schwarz
gegen das Himmelblau

Und alles
ganz still
und so schön
daß man weiß
dieses Leben lohnt sich
weil man glauben kann
daß es das wirklich gibt

Alter

Zuletzt werde ich vielleicht
wie als Kind
wenn ich allein war
wieder freundlich grüßen:
„Guten Morgen, Fräulein Blume“
„Guten Abend, Herr Baum“
und mich verbeugen
und sie mit der Hand berühren
und mich bedanken
daß sie mir ihre Zeit gegönnt haben

Nur daß sie mir antworten
und auch „Guten Morgen“
und „Guten Abend“ sagen
werde ich dann
nicht mehr glauben

Oder vielleicht doch wieder?
Davor habe ich Angst

Dich

Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist

Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter

Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist

Gedankenfreiheit

Wenn ich an deinen Mund denke
wie du mir etwas erzählst
dann denke ich
an deine Worte
und an deine Gedanken
und an den Ausdruck
deiner Augen
beim Sprechen

Aber wenn ich an deinen Mund denke
wie er an meinem Mund liegt
dann denke ich
an deinen Mund
und an deinen Mund
und an deinen Mund
und and einen Schoß
und an deine Augen

Ungewiss

Ich habe Augen
weil ich dich sehe
Ich habe Ohren
weil ich dich höre
Ich habe einen Mund
weil ich dich küsse

Habe ich
dieselben Augen und Ohren
wenn ich dich nicht
sehe und höre
und denselben Mund
wenn ich dich nicht küsse?

Einer ohne Schwefelhölzer

Alles 
was tut
als hätte ich es verloren
sammelt sich heimlich
und ordnet sich
ganz von selbst
zu einem Haus
mit eingerichteten Zimmern

Es riecht nach Brot
in der Küche
Im warmen Bett schlägst du
wirklich du
nackt die Decke zurück
und streckst mir
zum Einzug
zwei lebende Arme entgegen

wäre
vielleicht einfacher
wenn ich dich
gar nicht getroffen hätte

Weniger Trauer
jedes Mal
wenn wir uns trennen müssen
weniger Angst
vor der nächsten
und übernächsten Trennung

Und auch nicht soviel
von dieser machtlosen Sehnsucht
wenn du nicht da bist
die nur das Unmögliche will
und das sofort
im nächsten Augenblick
und die dann
weil es nicht sein kann
betroffen ist
und schwer atmet

Das Leben
wäre vielleicht
einfacher
wenn ich dich
nicht getroffen hätte
Es wäre nur nicht
mein Leben


 
 
 
 
 
 
 

 

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